Lobbying per Kettenbrief
Der Kettenbrief, der früher in Papierform und Post kursierte, taucht verstärkt als E-Mail auf. Mit wenigen Mausklicks können auf diese Weise politische und unpolitische Inhalte schnell, kostenlos und weltweit verbreitet werden.
Lobbyisten und Politiker nutzen dieses Instrument hin und wieder für ihre Zwecke. Im US-Präsidentschaftswahlkampf des letzten Jahres gab es erste Versuche, den E-Mail-Kettenbrief zum Online-Fundraising einzusetzen. Die Pro-Kerry-Initiative
"move on" forderte unter anderem per E-Mail-Kettenbrief zu Spenden auf. Angeblich kamen dabei innerhalb weniger Stunden gut 500.000 Dollar zusammen.
Ein ähnlicher Versuch wurde nun in Deutschland gestartet. Per E-Mail-Kettenbrief wurde zu einer Spende für das Behandlungszentrum für Folteropfer aufgerufen. Dabei kamen laut
Initiator über 16.000 Euro zusammen.
Da fragt sich, ob dieses Instrument auch für andere Kampagne-Formen, wie Lobbying nützlich ist. Der E-Mail-Kettenbrief ist zumindest wirkungslos, wenn er sich an Abgeordnete des
Deutschen Bundestages richtet. Die Abgeordnetenmitarbeiter ersticken schon heute in einer Flut von E-Mails. Je bekannter ein Abgeordneter ist, desto mehr elektronische Post bekommt er. Insider berichten von bis zu 400 E-Mails täglich. Aus diesem Grund werden Kettenbriefe meist ungelesen gelöscht.
Dass ein E-Mail-Kettenbrief auch "nach hinten losgehen" kann zeigte die
Aktion eines Pharma-Unternehmens im Dezember 2003. Mit dem Kettenbrief sollte die geplante Einführung einer Positivliste für Arzneimittel verhindert werden. Damals bekamen alle Mitglieder des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung des Deutschen Bundestages elektronische Post mit Bildern von angefaulten und teils abgestorbenen menschlichen Gliedmaßen. Im Begleittext hieß es: "Wollen Sie, dass unser durchblutungsförderndes Mittel künftig den Versicherten nicht mehr zur Verfügung steht?" Dieses Vorgehen bewirkte nur Abscheu. Das Unternehmen musste sich entschuldigen.