Sind Abgeordneten-Diäten gut?
In der zurückliegenden Diskussion über das Verhältnis Lobbying ? Mandat wurde immer wieder gefordert, ein Abgeordneter dürfe keine Nebentätigkeit als Lobbyist ausüben. In Folge dieser Debatte trat der Abgeordnete
Norbert Röttgen nicht sein Amt als
BDI-Geschäftsführer an und der Abgeordnete
Reinhard Göhner kündigte an, sein Abgeordnetenmandat niederzulegen und künftig nur noch als
BDA-Geschäftsführer tätig sein zu wollen.
Doch ist diese Entwicklung gut? Hat es nicht vielleicht auch Vorteile, wenn ein Mandatsträger noch einen Beruf ausübt? Im ausgehenden 19. Jahrhundert argumentierten die Gegner einer Abgeordnetenentschädigung, die Gewährung von Diäten mache aus dem Abgeordneten, der doch sein Mandat in voller Unabhängigkeit als Ehrenamt ausüben solle, den Erwerbsparlamentarier, der das Mandat zuallererst als Erwerbsquelle betrachte.
Es ist in der Tat die Tendenz erkennbar, dass sich im Bundestag immer mehr Abgeordnete finden, die ausschließlich von der Politik leben und damit von Parteien existentiell abhängig sind, die über ihre Kandidatur entscheiden. Viele Parlamentarier sind so sehr mit ihrem Wahlkreis und ihrer Wiederwahl beschäftigt, dass sie nur wenig Zeit in bundespolitische Fragen investieren. Die Politik wird vermehr von den Parteien und Fraktionen gestaltet. Die Parteien geben die Linie vor, die von den Abgeordneten übernommen wird. Das hat für den Mandatsträger zwei Vorteile: Er muss sich nicht selbst um das Thema kümmern, sondern vertritt einfach die vorgegebene Meinung. Zudem verärgert er nicht seine Partei, was seine Chancen bei der nächsten Wahl erneut nominiert und gewählt zu werden erhöht.
Zwar bedarf der moderne Parlamentsbetrieb des Berufspolitikers, der sich ganz den politischen Geschäften widmet. Dennoch bleibt es dabei: Die berufliche Tätigkeit des Abgeordneten ist das tatsächliche Fundament der Freiheit seines Mandats. Ein wirtschaftlich unabhängiger Abgeordneter kann freier seine Meinung sagen. Er muss nicht immer Sanktionen seiner eigenen Partei befürchten.
Lobbyismus ist nicht nur nichts Anstößiges, sondern ein notwendiger Bestandteil eines offenen Diskurses über das, was politisch gewollt und richtig ist. Verbände, die die Interessen ihrer Mitglieder in den politischen Prozess einbringen, versorgen überdies Parlament und Regierung mit Informationen, die für ihre Arbeit unentbehrlich sind. Zu beanstanden wäre es nur, wenn der Abgeordnete finanzielle oder sonstige Zuwendungen zu dem Zweck erhielte, sein Mandat im Sinne des Gebers auszuüben. Ein solches Verhalten zu Recht verboten.
Siehe hierzu bitte den Blog-Beitrag vom 25. Juli 2006:
Interessen versus Gewissen.